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Autor: Feuerwehrarzt
Dr. Fritz Seifert |
SITUATION :
Am 30.9.02 kam es um etwa 7 Uhr auf Grund einer plötzlich einfallenden
Nebelbank auf der A1 in Fahrtrichtung Wien im Raum Seewalchen -Schörfling
auf der Agerbrücke zu einer Massenkarambolage.
Auf einer Länge von ungefähr 350 Metern ,was der gesamten Länge
der Brücke entspricht , kollidierten bei einer Sichtweite von teilweise
nur 5 Metern annähernd 60 Fahrzeuge, darunter einige Sattelschlepper,
LKW mit Anhänger ,Kleintransporter und Pkw.
Zur gleichen Zeit kommt es auf der A1 in Fahrtrichtung Salzburg etwa 2
KM nördlich der ersten Unfallstelle, ebenfalls auf Grund der Nebelbank,
zu einer zweiten Massenkarambolage mit etwa 35 Fahrzeugen. Hierbei kommt
es als Unfallfolge zu Fahrzeugbränden.
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Zudem ereignet sich zwischen den
beiden beschriebenen Unfällen ein dritter kleinerer Auffahrunfall.
Zu einer vierten kleineren Karambolage kommt es etwa 4 Km südlich der
ersten Unfallstelle.
Bei beiden Großunfällen kommt es zu Personenschäden, wobei
primär 7 Tote und etwa 50 Verletzte Personen darunter 12 schwerstverletzte
zu beklagen sind. Einige Fahrzeuginsassen sind eingeklemmt, andere werden
durch die Fahrzeugbrände bedroht.
In Folge wird der Einsatz der F.F. Seewalchen welche zu dem Unfall auf der
Agerbrücke gerufen wird erläutert. |
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ALARMIERUNG:
Um 7 Uhr 05 erfolgt die Sirenenalarmierung der F.F. Seewalchen am Attersee
durch die Bezirkswarnstelle Vöcklabruck. Der Alarmierungsauftrag
lautet:"Schwerer Verkehrsunfall auf der A1 in Fahrtrichtung Wien
nach der Auffahrt Seewalchen.
Um 7 Uhr 07 Ausrücken von KDO Seewalchen (VW Passat mit tragbarer
Schere und Spreitzer und erweiterter Erste Hilfe Ausrüstung) mit
2 Mann, in Folge Tank Seewalchen -RLFA 2000 mit schwerer Bergeausrüstung
und 6 Mann, ÖL Seewalchen mit 3 Mann und MTF Seewalchen mit 7 Mann
Besatzung unter dem Kommando von ABI Wilhelm Sumereder.
Durch Zufall wird das KDO Fahrzeug mit AW Rudolf Plöderl, welcher
neben seiner aktiven Tätigkeit bei der Feuerwehr Seewalchen auch
Ortsstellenleiter der RK in Seewalchen und Kolonnenkomandant des RK Vöcklabruck
ist, und dem Seewalchner Feuerwehrarzt Dr. Fritz Seifert besetzt.
Bereits am Anfahrtsweg zur Autobahn erweist sich der äußerst
dichte Nebel als hinderlich. Durch den regen Funkverkehr, wobei es sich
vorerst um die Ausfahrtsmeldungen anderer Feuerwehren handelt, richtet
man sich bereits am Anfahrtsweg auf ein größeres Schadensereignis
ein.
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LAGE:
Nach 2 Minuten Anfahrtszeit stößt KDO Seewalchen auf der A1
kurz nach der Auffahrt bereits auf die stehende Kolonne. Wie so oft weichen
auch diesmal einige unbelehrbare Kfz Lenker mit ihren Fahrzeugen auf den
vorhandenen Pannenstreifen aus und blockieren so die Zufahrt. Die betreffenden
Fahrzeuglenker werden durch Zurufe darauf aufmerksam gemacht, daß
in Folge große Einsatzfahrzeuge eintreffen werden, und die Zufahrt
so gut als möglich freizumachen sei.
Nach etwa 4 Minuten erreicht KDO Seewalchen den eigentlichen Unfallort.
Das Ausmaß des Unfalls wird in der Anfangsphase nicht überblickt,
da man sich am Ende des Großunfalls befindet. Die Fahrbahn ist durch
in sich verkeilte Fahrzeuge völlig blockiert, so dass vorerst der
Umfang des Geschehens nicht zu erkennen ist.
Der FA und AW Plöderl erkunden nun die Lage, indem sie sich von einem
Fahrzeug zum anderen begeben, wobei teilweise nur über den Mittelstreifen
der Brücke vorwärts zu kommen ist. Durch Zurufe an außerhalb
der demolierten Fahrzeuge stehende Personen versuchen sie, die Lage von
Verletzten und etwaig eingeklemmten Personen zu erkennen.
Bei dieser Lageerkundung fallen sofort einige offenkundig tote Kfz Insassen
auf. Weiters wird auf teilweise schwerverletzte Personen aufmerksam gemacht,
welche vom Mittelstreifen aus nicht zu sehen sind, oder noch in den demolierten
Fahrzeugen liegen. Nach etwa 5 Minuten erreicht der FA das Ende der Großkollision.
Hier findet er in einem völlig zerstörten Pkw eine schwerverletzte
eingeklemmte Person. Erst jetzt ist den Einsatzkräften des gesamte
erschreckende Ausmaß des Unfalls bekannt. Beim Rückzug beginnt
der FA mit einer ersten gedanklichen Triage der Unfallopfer. Gleichzeitig
erreicht ein SEW der Ortsstelle St. Georgen im Attergau sich auf einem
Krankentransport nach Linz befindend, den Unglücksort. AW Plöderl
kann mit dem mitgeführten Handfunkgerät die RK Leitstelle Vöcklabruck
verständigen und gibt gleichzeitig RK-Kolonnenalarm für Seewalchen
und Vöcklabruck.
Bereits während der ersten Minuten vor Ort fällt auf, daß
es keinerlei Verkehr auf der Gegenfahrbahn gibt. Der Grund dafür
ist primär nicht ersichtlich und bekannt.
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EINSATZ:
Ca.8 Minuten nach Eintreffen der Feuerwehrkräfte und Lagebesprechung
beginnt die gezielte Menschenbergung durch kleinere vom Feuerwehrkommandanten
gebildeten Trupps. Als vordringlich wird die Bergung der eingeklemmten
Person am Ende der Unfallkolonne erachtet. Durchgeführt wird sie
mit dem tragbaren leichten Bergegerät vom KDO Fahrzeug. Die Bergung
und fachgerechte Lagerung und Erstversorgung dieser Person kann in etwa
10 Minuten abgeschlossen werden. Während der nächsten 20 Minuten
gelingt es nach und nach alle Verletzten zu sichten, zu bergen, sicher
zu lagern und durch den FA medizinisch erstzuversorgen (Infusionen und
Schmerzbekämpfung). Als vorbildlich erweisen sich dabei sowohl die
nicht oder nur leichtverletzten Unfallbeteiligten bei der Mithilfe der
Menschenbergung, der Erste Hilfe Leistung und Unterstützung des FA
bei seinen Tätigkeiten, als auch die durch rege Übungstätigkeiten
geschulten Feuerwehrmänner/frauen.
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Keiner der Schwerverletzten wird
alleine gelassen, sofort wird versucht die Betroffenen durch Decken und
Kleidungsstücke zu wärmen. Durch Zureden wird versucht die Panikstimmung
einzelner zu beruhigen. Durch eingetroffenen Autobahngendarmen erfahren
jetzt die Rettungsmannschaften von dem zweiten Großunfall auf der
Gegenfahrbahn. Nun erklärt sich auch der fehlende Verkehr auf der Salzburger
Richtungsfahrbahn.
Diese Situation wird nun seitens des Roten Kreuzes dahingehend ausgenutzt,
als geplant wird, alle Verletzten auf diese Fahrbahn zu verbringen. Die
gegebene Situation der Fahrbahnsperre wird jetzt vom FA via Handy dem alarmierte
Leitenden Notarzt Dr. Gilhofer, welcher sich bereits am Anfahrtsweg befindet
mitgeteilt. Die Zufahrt der Rettungskräfte wird somit über die
Salzburger Richtungsfahrbahn organisiert.
Als zweite Feuerwehr trifft die F.F. Schörfling mit Tank - und Pumpe
Schörfling von Norden kommend ein. Die Zufahrt erfolgte über die
Betriebsumkehr Reibersdorf, wobei durch den dichten Nebel die Orientierung
bei der Zufahrt äußerst schwierig war. F.F. Schörfling greift
nun in den Bergeeinsatz ein, die Versorgung der Verletzten wird dadurch
sofort verbessert, da jetzt genügend Feuerwehrmannschaft zu Verfügung
steht.
Nach und nach treffen nun genügend Rettungsfahrzeuge und alarmierte
Ärzte ein. Die Lage der Verletzten wird durch jeweils mehrere Feuerwehrmänner
vor Ort für alle ersichtlich markiert.
Es beginnt nach Triage durch den FA die sachgerechte Verbringung der Verletzten
mittels Schaufeltragen und Tragbahren unter Mithilfe der Feuerwehrmänner
über die betonierten Mittelleitschienen auf die Salzburger Richtungsfahrbahn.
Dabei bewährt sich der Umstand, jeweils mehrere Feuerwehrmänner
bei den Verletzten zu haben.
Die Bergung der Verletzten kann um ca. 9 Uhr abgeschlossen werden. Somit
war die Akutphase beendet.
Der Umfang des Unfalls erfordert naturgemäß eine genaue Aufnahme
durch die Behörde -Markierung der einzelnen Fahrzeuge und Luftbilder
vom Helikopter. Mit der Totenbergung durfte demnach erst um etwa 13Uhr
begonnen werden. Die lange Wartezeit darauf stellt für viele Feuerwehrkameraden
eine große psychische Belastung dar, sieht man doch immer wieder
die toten Eingeklemmten beim Vorbeigehen während der Arbeiten.
Unter Mithilfe schwerer Kräne wird dann mit der Bergung der Toten
begonnen, wobei bei diesem Unfall alleine primär 5 Todesopfer zu
beklagen sind. Vier von ihnen sind nach Kollisionen mit LKW eingeklemmt
und getötet worden, eine Person wurde aus dem Fahrzeug geschleudert.
Die Feuerwehr Seewalchen beendet um ca. 16 Uhr ihren Einsatz und rückt
mit Mannschaft und allen Fahrzeugen ein.
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FAZIT:
Eine etwaig geplante Übung mit dem genannten Szenario mehrerer gleichzeitig
eingetretener Großkarambolagen bei Nebel, ein Unfall davon auf einer
Brücke ,also kein seitlicher Zugang für Helfer möglich,
würde wohl als viel zu unrealistisch abgetan werden.
Die Realität lehrt uns aber wieder einmal, dass jede nur denkbare
Katastrophe auch eintreten kann.
In dem geschilderten Großereignis stellt sich das Komunikationswesen
zwischen den einzelnen Einsatzkräften als unzureichend dar. Eine
gemeinsame Einsatzzentrale hätte früh zwischen den vier parallel
laufenden Unfällen differenzieren und die entsprechenden Einsatzkräfte
bündeln können. So blieb der Unfall auf der Agerbrücke
längere Zeit auf Seite des RK unterversorgt, weil die nächsten
Kräfte auf Grund des zweiten Unfalles und der dadurch blockierten
Fahrbahn nicht zufahren konnten. Zudem mussten alle Einsatzorte mit jeweils
einer Funkfrequenz auskommen, eine Überlastung war die Folge. Die
fehlende Komunikation zwischen den verschiedenen Einsatzkräften konnte
zwar mittels Handy einigermaßen ersetzt werden, am Höhepunkt
des Geschehens brach das Netz jedoch mehrmals zusammen.
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Das größte
Problem war die primäre Unübersehbarkeit und Ausdehnung der Schadensereignisse.
Waren erst einmal die Rettungskräfte vor Ort, funktionierte der Einsatz
vorbildlich.
Hervorzuheben ist das Verhalten zahlreicher "Laienhelfer", nämlich
die nicht verletzten Unfallbeteiligten, welche sich tatkräftig unter
Anleitung bei der Verletztenversorgung und Betreuung zur Verfügung
stellten. Hervorragend bewährt hat sich das mobile leichte Bergegerät
der F.F. Seewalchen, welches über eine lange Wegstrecke zu einem Unfallopfer
getragen werden musste.
Der glückliche Umstand den zuständigen Kolonnenkommandanten und
den FA mit dem Vorausfahrzeug der FF Seewalchen vor Ort zu haben, ermöglichte
zusätzlich eine rasche und effiziente Bergeaktion sowie Verletztenversorgung.
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